Only dead fish swim with the (main)stream

In allen Bereichen der Welt des Konsums findet man heute neben Luxusware und individuell zugeschnittenen Artikeln vor allem eines: Produkte für die Masse. Hinz und Kunz gibt in der Regel nicht gerne viel Geld aus, legt aber Wert auf ein angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis und eine durchschnittliche Qualität. Er eifert, sei dies in den Bereichen Mode, Lifestyle oder Freizeitgestaltung, einem allgemeinen Trend nach. Dieser Trend wird von diversen Zeitschriften propagiert, welche beim Friseur oder Zahnarzt aufliegen, oder man bekommt ihn in bewegten Bildern mittels unzähliger Fernsehprogramme zusehen. Die individuelle Wahl der Kleidung, des Ausgehlokale am Wochenende oder der Musik auf dem iPod entsprechen gleichzeitig derselben Wahl von Millionen von Menschen auf diesem Planeten.

„Sag mir, welche Musik du hörst, und ich zeige dir, wer du bist.“ Über nichts anderes definieren sich junge Leute so sehr wie über die Musik, die sie lieben und hören. Liedertexte und Klänge unterstreichen ihre Persönlichkeit und helfen sie gegenüber anderen abzugrenzen. Doch wie individuell ist die Wahl der persönlichen Lieblingsmusik überhaupt?

Die Verkommerzialisierung von Musik hat den Zweck den so genannten „brotlosen Erwerb“ eines Musikers in ein gewinnbringendes Geschäft zu verwandeln. Es gilt Produkte massentauglich zu gestalten, damit sie einem breiten Publikum gefallen und Leute zum Kauf animieren. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten dies zu tun.

In der Musik zum Beispiel setzt man auf einen bewährten Aufbau des Songs mit einer Einleitung (Intro), gefolgt von einer melodiösen Gesangslinie in einfachem, verständlichem Text und den Höhepunkt setzt man auf einen eingängigen Refrain, der möglichst oft wiederholt wird – zum richtig schön Mitsingen. Und damit der zukünftige Hit auch schön brav die Radiocharts rauf und runter gespielt wird, hat er die konforme Dauer von maximal dreieinhalb Minuten. Die Produzenten solcher Musik setzen auf melodische Harmonie, auf garantierte Muster und zählen auf den Wiedererkennungseffekt beim Publikum.

Ein anderes bewährtes Mittel der Musikindustrie, um in kurzer Zeit und mit minimalem Aufwand einen gewinnbringenden Hit auf den Markt zu bringen, sind die so genannten „Cover Songs“. Das sind Lieder, die einmal Hitgeschichte geschrieben haben, doch heute etwas in Vergessenheit geraten sind. Ein solcher Song wird neu eingespielt, wobei die Wahl der Instrumente ein wenig verändert und von einem neuen Interpreten gesungen wird, um dem reproduzierten Song einen zeitgemässen Schliff zu verpassen.

Es leuchtet wohl jedem ein, dass bei beiden erwähnten Methoden nichts wirklich Neues entstehen kann. Solche Songs schreiben keine Musikgeschichte. Sie reihen sich bestenfalls zu den unzähligen „One-Hit-Wonders“ und verschwinden nach kurzer Zeit (im wahrsten Sinne) sang- und klanglos. Nur ist dies ja auch nicht das Ziel solcher Produzenten, denn hier geht es darum Geld zu verdienen, wobei möglichst viele Risiken, welche den Erfolg beeinträchtigen könnten, ausgeschaltet werden.

Bei etwas Neuem, noch nie Dagewesenem, ist es viel schwieriger einzuschätzen, ob diesem Stück der Erfolg beschert ist oder nicht. Im Gegensatz zu einer Produktion eines noch nie gehörten Künstlers ist ein mit Spannung erwartetes, neues Album einer Pop-Ikone wie zum Beispiel Madonna ein gewisser Absatz-Garant. Denn das Album, sei es noch so ideenlos und fad, wird trotzdem von einer grossen, treuen Fangemeinde gekauft. Megaseller wie Bon Jovi oder Michael Jackson garantieren den Plattengiganten Einkünfte, die ihr Geschäft vorantreiben. Sie finanzieren dadurch aber auch Künstler, welche neu auf dem Markt auftreten und sich ihre Fangemeinschaft erst erarbeiten müssen.

Eines jeden Künstlers Traum ist es von seiner eigenen Musik zu leben. Das hatte sich sicher auch Alanis Morissette gesagt, bevor sie ihr erstes Album „Jagged Little Pill“ auf den Markt brachte. Sie hatte mit ausdrucksstarken und wortreichen Texten, einer kratzigen Instrumentierung und ihrer eigenwilligen Stimme ihren individuellen Stil gefun-den. In kürzester Zeit kletterte ihr Album auf den ersten Platz der meistverkauften Al-ben überhaupt – nicht einmal die legendären Beatles hatten mehr Platten verkauft. Bis heute hat sie fünf Alben veröffentlicht und ist dabei ihrem unvergleichlichen Stil treu geblieben.

Ihr Song „Ironic“ tropft regelmässig aus den Lautsprechern des Supermarktes um die Ecke oder des Kioskes an der Tramhaltestelle. Dies mindert die Qualität des Stückes keineswegs, summe ich doch still für mich mit. Doch er unterläuft einem Abnutzungsprozess, den ich gerne aufhalten würde. Die Verkommerzialisierung der Musik von
Alanis Morissette hat die Künstlerin selbst zwar zur Millionärin gemacht und ihr Traum, von ihrem Schaffen leben zu können, hat sich erfüllt, doch reihen sich nun ihre Hits zu den 1500 meist gehörten Songs der Radiohitliste, welche wir an öffentlichen Orten täglich zu ertragen haben. Songs, die wir schon so viele Male gehört haben, dass wir sie nicht mehr länger ertragen können.

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Radiosender wie zum Beispiel Radio Basilisk von einer externen Firma monatlich mit Hitlisten beliefert werden, die einen gelungenen Mix aus altbewährten und aktuellen Hitparaden-Songs beinhalten. Dass im Radiostudio von heute ein talentierter Musikredaktor sitzt und täglich aus der Fülle von Millionen von neuen und alten Stücken eine für den Sender charakteristische Auswahl trifft, ist eine längst überholte Vorstellung. Denn heute bestimmen die Top-50-Stücke aus dem In- und Ausland, angereichert mit ein paar Evergreens aus vergangenen Tagen, das täglich gleich klingende Musikprogramm der verschieden Radiosender.

Doch sind wir einmal ganz ehrlich zu uns selbst: Hören wir überhaupt die Musik, die täglich aus dem Radio dudelt? Können wir mit Bestimmtheit sagen, wann ein Song endet und wann ein nächster beginnt oder vermischt sich das Musikprogramm zwischen Newsflash und Werbung zu einem Einheitsbrei aus Tönen und Bässen? Oder anders gefragt: Warum hören wir überhaupt Musik?

Die einen schöpfen Kraft oder Mut aus Liedertexten, andere reisen auf den Schwingen der Töne in andere Klangwelten. Es gibt solche, die hören Musik so laut, dass sie ausser der Musik nichts anderes mehr spüren, wiederum andere ertragen die Stille nicht ohne. Letztendlich konsumieren wir Musik so, wie wir auch Lebensmittel konsumieren. Alle konsumieren in irgendeiner Art und Weise Musik, denn Musik hält uns genauso am Leben wie Brot und Wein. Jeder bedient sich der Musik auf seine Weise, zieht aus der zu ihm passenden Musik das, was ihn befriedigt und ihm einen Funken Lebensfreude spendet. Um nicht wie tote Fische im Fluss zu schwimmen brauchen wir jede Art von Musik, ob kommerzielle Hits oder experimentelle Nischenklänge.

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