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Montag, 27. März 2006

Theodor Storm - Der Schimmelreiter

Der Schriftsteller Theodor Storm erzählt eine Geschichte in der Geschichte: Ein Reiter befindet sich in Norddeutschland auf seinem Rückweg in die Stadt und kreuzt auf einem schmalen Weg am Meer einen unheimlichen Reiter. Vom langen Ritt ermüdet steigt er in einem Wirtshaus ab, wo die Männer der lokalen Gemeinde sich eingefunden haben um über den bevorstehenden Sturm zu beraten. Der Reiter berichtet von seiner beunruhigenden Begegnung auf seinem Weg zum Gasthaus, worauf ein alter Schulmeister die Sage vom Schimmelreiter zu erzählen beginnt:
Hauke Haien, ein junger Bursche, der mit seinem Vater zusammenlebt, liegt am liebsten am Meer auf dem aufgeschütteten Schutzwall, dem Deich, und fühlt sich wohl, wenn ihn Wind und Wetter durch die Haare wehen. Er meidet seine Schulkameraden und verbringt seine meiste Zeit alleine am Wasser und beobachtet dabei den Wellengang. Schon früh erkennt er, dass der alte Deich einer gefährlichen Springflut nicht gewachsen ist und beginnt in seiner Kammer Notizen und Berechnungen anzustellen, um den perfekten Deich zu konstruieren. Sein Traum ist es einmal Deichgraf zu werden, um einen sicheren Deich bauen zulassen und so seine Gemeinde für die nächsten hundert Jahre vor dem Wasser zu schützen. Hauke hat als Einzelgänger nicht viele Freunde, doch sein Ehrgeiz, sein klarer Verstand und die Liebe seiner späteren Frau Elke geben ihm die Kraft diesen Kindheitstraum zu verwirklichen. Er trotzt bösen Geredes seiner Widersacher, setzt seinen Willen mit Beharrlichkeit durch und lässt den neuen Deich nach langer, kräftezehrender Arbeit fertig stellen. Viele Jahre später, Hauke ist in der Zwischenzeit Vater eines behinderten Kindes geworden, freut sich aber zusammen mit Elke an seiner Tochter, steht eine gefährliche Springflut bevor und die Schutzwälle drohen zu brechen. In einer dramatischen Schlussszene stürzen seine Familie und danach auch er selbst durch ein schreckliches Unglück ins Meer und ertrinken in den stürmischen Fluten.
Der Schulmeister schliesst die Geschichte, indem er flüstert, der Gast sei eben diesem Gespenst des Schimmelreiters begegnet, der heute noch bei stürmischer See auf den Schutzwällen reitet.
Obwohl das Werk bereits im 19. Jahrhundert geschrieben wurde, hat das Buch bis heute nicht an Faszination verloren. Wer hat als junger Mensch nicht den Wunsch etwas Grossartiges zu Schaffen und dabei sogar Menschenleben zu retten? Wer fühlte sich nicht von seinen Mitschülern stellenweise missverstanden und suchte Trost in der Einsamkeit und in inspirierender Lektüre oder bewegender Musik? Wer glaubte in jungen Jahren nicht an die Liebe, die einen stark macht und die ihn Neid und Missgunst, Intrigen und Hohn ertragen lässt? Obwohl die Geschichte im hohen Norden in einer unwirtlichen Gegend spielt, ein Leben beschriebt, das abhängig von Wind und Gezeiten, von Mühsal und Arbeit gezeichnet ist, obwohl das Buch eine längst vergessene, alte Sprache spricht, wo Leute mit beiden Händen erschaffen, wozu wir heute Maschinen und Computer benutzen, kämpft die Hauptfigur doch mit den selben Problemen, mit denen wir uns auch heute beschäftigen. Darum verstehen wir, was Hauke antreibt, was ihn aufwühlt, denn wir finden alle ein kleines Stück von uns selbst im Schimmelreiter. Die vielen Jahre, welche zwischen seiner Geschichte und unserer liegen, spielen dabei keine Rolle.
Auch sind es doch diese Geschichten, denen wir als Kind beim Lagerfeuer hingekuschelt am liebsten gelauscht haben. Geschichten über seltsame Ereignisse oder Erscheinungen, die sich niemand so richtig erklären kann. Geschichten über Helden, die sich gegen alle Widerstände gestemmt ihr Ziel erreicht und danach auf dramatische Weise alles verloren haben um danach als rastlose Seelen ihr Unwesen zu treiben.
Das Buch ist in einer äusserst bildhaften Erzählweise gehalten. Beim Lesen spürt man den Wind geradezu im Haar, schmeckt man das Salz auf den Lippen und hört man die Wellen an den Schutzwall krachen. Die alte Sprache hindert nicht am Lesen sondern trägt in die Vergangenheit zurück, weit fort von Technologie und Moderne, der wir heute ausgesetzt sind. Theodor Storm erzeugt durch seine Erzählweise eine ungeheure Spannung und Dramatik, der sich keiner entziehen kann und die den Leser bewegen, das Buch bis zum Ende nicht mehr aus der Hand zu geben.

Dienstag, 7. März 2006

Wer braucht denn schon Kultur?

Kultur ist ein weiter Begriff, dem so vieles zugeordnet werden kann. Kultur ist nicht nur Theater, Musik, Tanz und Kunst, Kultur ist auch Tradition und Lebensart. Kultur vermitteln uns unsere Eltern. Die Gesellschaft lebt ihre Kultur. Sich mit der eigenen, aber auch mit fremder Kultur auseinander zu setzen, ist ein Grundbedürfnis jedes Menschen. Es gibt so viele verschiedene Kulturen auf dieser Welt und vor allem heute, wo Grenzen geöffnet werden, wo Reisen für jedermann erschwinglich wird, wo viele Leute auf der Suche nach einem Platz in einem sicheren Land sind, prallen die-se Kulturen aufeinander. Wir müssen uns mit unserer eigenen und mit fremden Kulturen auseinander setzen, denn nur so entwickeln wir ein Verständnis für das Fremde.

Unser Staat hat die Pflicht auf einen solchen Diskurs vorzubereiten, indem er Kultur im Allgemeinen und somit verschiedene kulturelle Veranstaltungen finanziell unterstützt. Jeder Mensch sollte Zugang zu Kultur haben. Jeder sollte sich Kultur leisten können. Es ist sicher eine sehr schwierige Aufgabe zu entscheiden, was unterstützenswert ist und was nicht. Denn unser Staatshaushalt ist angeschlagen und kämpft seit Jahren mit grossen Defiziten. Aber gerade weil Kultur ein menschliches Grundbedürfnis ist und es die Gesellschaft ein Stück weiter bringt in den Fragen zur Integ-ration von Ausländern und zur Erhaltung kultureller Werte, darf bei der staatlichen Subventionierung von Kultur nur wenig gespart werden.

Private Firmen sponsern kulturelle Veranstaltungen in erster Linie aus der Überlegung möglichst einen guten Eindruck auf die Öffentlichkeit zu machen. Ihr Ziel ist es gut zu wirtschaften und ihre Kontakte zu einer entspannten Umwelt zu pflegen. Sie nutzen also die von ihnen finanziell unterstützten Anlässe um sich zu profilieren und ihren Firmennamen mit positiven Emotionen zu verbinden. Der erfreuliche Nebeneffekt dabei ist, dass diese Veranstaltungen Leuten zugänglich gemacht werden, die es sich ohne Beteiligung dieser Firmen gar nicht leisten könnten oder solche Veran-staltungen hätten auf Grund fehlenden Kapitals gar nicht erst durchgeführt werden können. Leider aber kann man vermehrt beobachten, dass Sponsoringfirmen dermassen präsent sind, dass die eigentlichen Künstler des Anlasses in den Hintergrund geraten und der Zuschauer sich als Beteiligter einer Werbefahrt verkommt. Der eigentliche Hauptdarsteller des Anlasses wird so nur noch zum Ausführenden eines Auftrages der Sponsoringfirma.

Ein Zitat des bekannten Schweizer Kabarettisten und Schriftstellers Franz Hohler lautet: „Die schweigende Mehrheit braucht keine Kultur, ihr langt der Sport.“ Sport ist eine Art von Kultur, es gibt aber noch viele andere Arten. Es reicht eben nicht, dass man sich nur mit einer befasst und auseinandersetzt. Von Kulturen lernt man, Kultur bedeutet Bildung. Hohler teilt die Gesellschaft in eine dumme, ungebildete Mehrheit und eine an Kultur interessierte, gebildete Minderheit ein. Gerade um eine solche Differenz auszugleichen ist es nötig, dass alle Schichten Zugang zu Kultur haben, dass Kultur für alle erschwinglich ist. Damit der Zugang nicht vom finanziellen Einkommen eines an Kultur Interessierten abhängt, ist es wichtig, dass der Staat unterstützend eingreift. Der Staat hat den Auftrag an den Schulen Kultur zu vermitteln, damit aus einer schweigenden Mehrheit für Kultur offene Individuen wachsen. Und jeder Einzelne sollte sich bewusst sein, was Kultur für ihn bedeutet und wie er sich kulturelles Verständnis aneignen kann um die heutigen kulturell bedingten Probleme in der Gesellschaft besser anpacken zu können.

Freitag, 3. März 2006

Only dead fish swim with the (main)stream

In allen Bereichen der Welt des Konsums findet man heute neben Luxusware und individuell zugeschnittenen Artikeln vor allem eines: Produkte für die Masse. Hinz und Kunz gibt in der Regel nicht gerne viel Geld aus, legt aber Wert auf ein angemessenes Preis-/Leistungsverhältnis und eine durchschnittliche Qualität. Er eifert, sei dies in den Bereichen Mode, Lifestyle oder Freizeitgestaltung, einem allgemeinen Trend nach. Dieser Trend wird von diversen Zeitschriften propagiert, welche beim Friseur oder Zahnarzt aufliegen, oder man bekommt ihn in bewegten Bildern mittels unzähliger Fernsehprogramme zusehen. Die individuelle Wahl der Kleidung, des Ausgehlokale am Wochenende oder der Musik auf dem iPod entsprechen gleichzeitig derselben Wahl von Millionen von Menschen auf diesem Planeten.

„Sag mir, welche Musik du hörst, und ich zeige dir, wer du bist.“ Über nichts anderes definieren sich junge Leute so sehr wie über die Musik, die sie lieben und hören. Liedertexte und Klänge unterstreichen ihre Persönlichkeit und helfen sie gegenüber anderen abzugrenzen. Doch wie individuell ist die Wahl der persönlichen Lieblingsmusik überhaupt?

Die Verkommerzialisierung von Musik hat den Zweck den so genannten „brotlosen Erwerb“ eines Musikers in ein gewinnbringendes Geschäft zu verwandeln. Es gilt Produkte massentauglich zu gestalten, damit sie einem breiten Publikum gefallen und Leute zum Kauf animieren. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten dies zu tun.

In der Musik zum Beispiel setzt man auf einen bewährten Aufbau des Songs mit einer Einleitung (Intro), gefolgt von einer melodiösen Gesangslinie in einfachem, verständlichem Text und den Höhepunkt setzt man auf einen eingängigen Refrain, der möglichst oft wiederholt wird – zum richtig schön Mitsingen. Und damit der zukünftige Hit auch schön brav die Radiocharts rauf und runter gespielt wird, hat er die konforme Dauer von maximal dreieinhalb Minuten. Die Produzenten solcher Musik setzen auf melodische Harmonie, auf garantierte Muster und zählen auf den Wiedererkennungseffekt beim Publikum.

Ein anderes bewährtes Mittel der Musikindustrie, um in kurzer Zeit und mit minimalem Aufwand einen gewinnbringenden Hit auf den Markt zu bringen, sind die so genannten „Cover Songs“. Das sind Lieder, die einmal Hitgeschichte geschrieben haben, doch heute etwas in Vergessenheit geraten sind. Ein solcher Song wird neu eingespielt, wobei die Wahl der Instrumente ein wenig verändert und von einem neuen Interpreten gesungen wird, um dem reproduzierten Song einen zeitgemässen Schliff zu verpassen.

Es leuchtet wohl jedem ein, dass bei beiden erwähnten Methoden nichts wirklich Neues entstehen kann. Solche Songs schreiben keine Musikgeschichte. Sie reihen sich bestenfalls zu den unzähligen „One-Hit-Wonders“ und verschwinden nach kurzer Zeit (im wahrsten Sinne) sang- und klanglos. Nur ist dies ja auch nicht das Ziel solcher Produzenten, denn hier geht es darum Geld zu verdienen, wobei möglichst viele Risiken, welche den Erfolg beeinträchtigen könnten, ausgeschaltet werden.

Bei etwas Neuem, noch nie Dagewesenem, ist es viel schwieriger einzuschätzen, ob diesem Stück der Erfolg beschert ist oder nicht. Im Gegensatz zu einer Produktion eines noch nie gehörten Künstlers ist ein mit Spannung erwartetes, neues Album einer Pop-Ikone wie zum Beispiel Madonna ein gewisser Absatz-Garant. Denn das Album, sei es noch so ideenlos und fad, wird trotzdem von einer grossen, treuen Fangemeinde gekauft. Megaseller wie Bon Jovi oder Michael Jackson garantieren den Plattengiganten Einkünfte, die ihr Geschäft vorantreiben. Sie finanzieren dadurch aber auch Künstler, welche neu auf dem Markt auftreten und sich ihre Fangemeinschaft erst erarbeiten müssen.

Eines jeden Künstlers Traum ist es von seiner eigenen Musik zu leben. Das hatte sich sicher auch Alanis Morissette gesagt, bevor sie ihr erstes Album „Jagged Little Pill“ auf den Markt brachte. Sie hatte mit ausdrucksstarken und wortreichen Texten, einer kratzigen Instrumentierung und ihrer eigenwilligen Stimme ihren individuellen Stil gefun-den. In kürzester Zeit kletterte ihr Album auf den ersten Platz der meistverkauften Al-ben überhaupt – nicht einmal die legendären Beatles hatten mehr Platten verkauft. Bis heute hat sie fünf Alben veröffentlicht und ist dabei ihrem unvergleichlichen Stil treu geblieben.

Ihr Song „Ironic“ tropft regelmässig aus den Lautsprechern des Supermarktes um die Ecke oder des Kioskes an der Tramhaltestelle. Dies mindert die Qualität des Stückes keineswegs, summe ich doch still für mich mit. Doch er unterläuft einem Abnutzungsprozess, den ich gerne aufhalten würde. Die Verkommerzialisierung der Musik von
Alanis Morissette hat die Künstlerin selbst zwar zur Millionärin gemacht und ihr Traum, von ihrem Schaffen leben zu können, hat sich erfüllt, doch reihen sich nun ihre Hits zu den 1500 meist gehörten Songs der Radiohitliste, welche wir an öffentlichen Orten täglich zu ertragen haben. Songs, die wir schon so viele Male gehört haben, dass wir sie nicht mehr länger ertragen können.

Es ist schon lange kein Geheimnis mehr, dass Radiosender wie zum Beispiel Radio Basilisk von einer externen Firma monatlich mit Hitlisten beliefert werden, die einen gelungenen Mix aus altbewährten und aktuellen Hitparaden-Songs beinhalten. Dass im Radiostudio von heute ein talentierter Musikredaktor sitzt und täglich aus der Fülle von Millionen von neuen und alten Stücken eine für den Sender charakteristische Auswahl trifft, ist eine längst überholte Vorstellung. Denn heute bestimmen die Top-50-Stücke aus dem In- und Ausland, angereichert mit ein paar Evergreens aus vergangenen Tagen, das täglich gleich klingende Musikprogramm der verschieden Radiosender.

Doch sind wir einmal ganz ehrlich zu uns selbst: Hören wir überhaupt die Musik, die täglich aus dem Radio dudelt? Können wir mit Bestimmtheit sagen, wann ein Song endet und wann ein nächster beginnt oder vermischt sich das Musikprogramm zwischen Newsflash und Werbung zu einem Einheitsbrei aus Tönen und Bässen? Oder anders gefragt: Warum hören wir überhaupt Musik?

Die einen schöpfen Kraft oder Mut aus Liedertexten, andere reisen auf den Schwingen der Töne in andere Klangwelten. Es gibt solche, die hören Musik so laut, dass sie ausser der Musik nichts anderes mehr spüren, wiederum andere ertragen die Stille nicht ohne. Letztendlich konsumieren wir Musik so, wie wir auch Lebensmittel konsumieren. Alle konsumieren in irgendeiner Art und Weise Musik, denn Musik hält uns genauso am Leben wie Brot und Wein. Jeder bedient sich der Musik auf seine Weise, zieht aus der zu ihm passenden Musik das, was ihn befriedigt und ihm einen Funken Lebensfreude spendet. Um nicht wie tote Fische im Fluss zu schwimmen brauchen wir jede Art von Musik, ob kommerzielle Hits oder experimentelle Nischenklänge.

Montag, 27. Februar 2006

Nike

Nike sass auf der Akropolis und blickte Stirn runzelnd über das weite Land. Ihre grossen Flügel hatte sie eng an sich gepresst, denn sie fröstelte ein wenig. Der kühler Wind spielte eine leichte Melodie auf ihrer Lyra, die sie neben sich stehen hatte.
Wieder wurde sie gerufen: Der Krieg im Irak war von den Amerikanern gewonnen worden, und man erwartete Nike zur Ehrung des Siegers. Über all die Jahre hinweg hatte Nike wieder und wieder Siegern gratuliert, und diese hatten mit stolz geschwelter Brust die Ehrerweisung entgegen genommen. Der Champagner floss dabei reichlich, Papierschlangen wurden in die Luft geworfen, und die Leute jubelten und tanzten ausgelassen.
Heute aber machte sich Nike mehr Gedanken zur kommenden Feier als sonst. Es war einer dieser Abende, wo die Sonne vor dem Untergehen rosa Wolken an den Himmel zaubert und die Landschaft in ein unwirklich paradiesisches Licht taucht. Die Farben an solchen Abenden wirken gedämpft; die Zeit scheint still zu stehen.
Nun also sollte Nike zu eben dieser Feierlichkeit nach Washington fliegen. Sie hatte schon zu lange verträumt auf den Sonneuntergang geblickt. Sie rief sich die Bilder des Irakkrieges wieder vor Augen: Sollte - obschon bei einem Krieg tausende von Menschen sterben, ganze Familien ausradiert und Städte zertrümmert werden, wo Gewalt an der Tagesordnung ist, wo vor lauter Elend keine Tränen zum Weinen mehr übrig sind - nach der Beendigung eine ausgelassene Siegesfeier stattfinden? Sind denn nicht beide Parteien Verlierer, wenn auf beiden Seiten Verluste zu verbuchen sind, eine traumatisierte Bevölkerung zurückbleibt und jahrelange Wiederaufbauarbeit geleistet werden muss. Kann man darauf anstossen und vor Freude tanzen?
Am gleichen Abend stand noch eine weitere Siegerehrung an: Lance Armstrong hatte wiederholt die Tour de France gewonnen. Während des Rennens und der Vorbereitungsphase hatte er beinahe unmenschliche Strapazen auf sich genommen. Jahrelanges Training, strikte Diät und mentale Fitness verhalfen ihm erneut zum Sieg. Oder hatte er einfach Glück, dass er bei keiner der vergangenen Dopingkontrollen aufgeflogen war? Fand er etwa einen Weg, der es ihm erlaubte, illegale leistungssteigernde Präparate einzunehmen, die man später nicht nachweisen konnte? Vereinfacht gesagt: Wurde er zum Sieger, weil er ein gewiefterer „Pillen-Spicker“ war als seine Konkurrenten?
Nike seufzte. Die Pflichten riefen. Es blieb keine Zeit, sich länger darüber Gedanken zu machen. Sie nahm die goldenen Lorbeerkränze unter den Arm und wollte sich in die Lüfte gen weisses Haus schwingen. Da hörte sie ein sanftes Händeklatschen, begleitet von freudigem Geplapper. Nike hielt inne und lauschte: Juliane machte ihre ersten Schritte nach dem schweren Autounfall, den sie vor einem halben Jahr erlitten hatte. Die Ärzte hatten ihr danach erklärt, dass sie nie mehr gehen könne.
Paul und Sarah fielen sich mit Tränen in den Augen um den Hals. Sie wollten es noch einmal versuchen, auch wenn die letzten Monate ihrer jungen Ehe schwierig waren. Freunde hatten an ihre gemeinsame Zukunft nicht mehr geglaubt.
Otto stand im Kreise seiner Familie und stiess auf seine Rückkehr aus dem Spital an. Er hatte vorerst den Krebs besiegt und war glücklich, die Geburt seines Enkels doch noch miterleben zu können.
Nike legte die Lorbeerkränze zurück und setzte sich wieder. In den Ereignissen, welche soeben an ihr Ohr gedrungen waren, hatte die Hoffnung gesiegt, die Liebe oder der Glaube an eine Besserung. Hier gab es keine Verlierer, sondern nur ehrliche Sieger.
Nike ignorierte Washington und Paris und wandte sich stattdessen Juliane, Otto, Paul und Sarah zu. Ihnen wollte sie ihre Ehrerweisung entgegenbringen. Ihnen wollte sie zum Sieg gratulieren.
Sie klemmte ihre Lyra unter den Arm, packte den goldenen Kelch und eine Flasche Götterwein und machte sich auf, zu den wahren Siegern unserer Zeit.

Donnerstag, 7. April 2005

Zwiebelfisch

Gestern mit dem Titel:

Der Pabst ist tod, der Pabst ist tod!

http://www.spiegel.de/kultur/zwiebelfisch/0,1518,349798,00.html

Übrigends: beim Zwiebelfisch kann man immer mal wieder vorbeischauen - amüsant und lehrreich.

Mittwoch, 6. April 2005

Büro

Hier im Büro ist es stickig warm, das Licht diffus. Der Bildschirm vor mir flimmert und gibt einen leise summenden Ton von sich. Neben dem Rand des Bildschirms verschwimmen Silhouette von Büroschrank, Bundesordner und Monetseerosen zu einem farbigen Gewaber. Meine Büropflanze mit Namen Esther streckt sich gen Fenster, verzweifelt nach einem Sonnenstrahl greifend.

Vor meinen grossen Bürofenstern gehen Menschen hin und her. Ich denke, ich möchte auch vor diesem Fenster hin und her gehen – Hauptsache nicht hier drin hocken.

Immer wieder klingelt das Telefon und ich versuche mit geschäftiger Stimme den Anruf zu beantworten. Ich kann meine Langeweile nicht verbergen. Jedes Gespräch beende ich in einem leicht gereiztem Tonfall.

Ich brühe mir meinen siebten Tee – Trinken soll ja gesund sein. Bei meinem ersten Schluck aus der frisch gefüllten Tasse verbrenne ich mir leicht die Zunge. Ich kippe eines der Fenster um kühle Frühlingsluft reinzulassen, denn nach meinem ersten Schluck Tee wird mir heiss.

Die Uhr im rechten unteren Bildschirmrand ist eingefroren. Gerne erinnere ich mich dran, dass wir heute bereits in der Mitte der Woche stehen; es geht also nicht mehr so lange bis zum Wochenende, wie es am Montag noch schien.

Das Telefon klingelt. Es ist mein Chef. Lieber Chef, ich hab ja so viel Arbeit auf meinem Tisch, ihre kleine Erledigung schaff ich nun wirklich nicht vor morgen Nachmittag. Tut mir leid.

Ich wende mich wieder meinem flimmernden Bildschirm zu und prüfe, ob sich die Uhr im rechten unteren Bildschirmrand bewegt hat.

Donnerstag, 30. Dezember 2004

Klassiker

Thomas Mann - Buddenbrooks

Verfall einer Familie auf dem Hintergrund einer detailliert beschriebenen Gesellschaft.

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3596294312/qid=1104418187/ref=pd_ka_2/028-6628874-3487754
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