Mittwoch, 27. April 2005

Wie bringe ich einer langjährigen Freundin bei, dass ich nichts mehr zu tun haben will mit ihr?

Nein, sie hat mir nicht meinen Mann ausgespannt, sie hat auch nicht mit gespaltener Zunge hinter meinem Rücken über mich gelästert, hat mich nicht versetzt oder mir weh getan. Ich kann auch nicht sagen, dass wir uns auseinander gelebt haben, sie oder ich ein anderer Mensch geworden sind und wir uns daher nicht mehr verstehen.

Mir ist vor einiger Zeit aufgefallen, dass mir Susanne auch nach 12 Jahren noch immer fremd ist. Nur ganz selten scheint sie mich in ihr Vertrauen zu ziehen. Kurze Einblicke in ihr Innerstes gewährt sie mir nur ganz wenige und nur, wenn sie unter Zugzwang steht und nicht anders kann, als sich zu öffnen. Wenn mir Susanne von sich erzählt, dann läuft gemäss ihren Schilderungen immer alles toll bei ihr, wunderbar, reibungslos, ohne Probleme; sie hat einen tollen Job der sie fordert, einen tollen Freund, der ihr alle Freiheiten lässt, eine grosse Wohnung, in die sie all ihre Freunde einladen kann, ein tolles Verhältnis zur Familie, die im gemeinsamen Ferienhaus immer wieder tolle Parties veranstaltet etc. Ich hingegen sitze vis-à-vis und berichte von meinen Wehwehchen am Arbeitsplatz, meiner Mühe mit der noch immer aktuellen Abnabelung vom Elternhaus, meinem Unverständnis gewissen Macken meines Mannes gegenüber und anderen alltäglichen Reibungspunkten. Sie schaut mich dabei regelmässig mitleidig über den Rand der Kaffeetasse an und meint nur: von diesen Problemen hab ich auch schon mal gehört, eine entfernte Bekannte hat mir darüber berichtet.

Kommt dazu, dass mir plötzlich bewusst wurde, dass sie ihr Leben komplett nach den Vorstellungen ihrer Eltern und ihrem dominanten Freund lebt und dabei ihre Wünsche völlig in den Hintergrund schiebt. Um ihrer Familie zu genügen gefallen verzichtet sie auf so vieles, beklagt sich aber nie darüber.

Kann sein, dass ich das von mir Beobachtete nur in sie hinein interpretiere. Aber mein Bauch sagt mir, dass ich die sensible Susanne in den vergangenen Jahren doch immer wieder in den kurzen Momenten ein ganz kleines Stückchen hervorschimmern sah.

Susanne hat sich für diesen Lebensstil entschieden. Wenn ich ihr einen Spiegel vorhalte, wird sie nichts anderes darin erkennen, als ihr wunderbar perfektes Leben. Eine Konfrontation meinerseits würde nichts an unserem Verhältnis ändern ausser vielleicht Unverständnis und Enttäuschung ihrerseits.

Und so schlage ich den Pfad der Feigen ein: ich mache mich rar und lasse unsere Freundschaft im Sand verlaufen. Ich werde die schönen Momente in meinem Herzen bewahren und lasse Susanne zurück, in ihrer perfekten Welt.
logo

villa kunterbunt

buntes zum grauen alltag

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Suche

 

Aktuelle Beiträge

..
Ein ganz interessantes Experiment.
Igelborste - 29. Jan, 08:55
Wolkenlos
Heute scheint die Sonne und morgen wird regnen. Tja....
Igelborste - 12. Dez, 09:59
Weihnachten
Weihnachtsmann im roten Anzug und mit dem falschen...
Igelborste - 5. Dez, 11:13
Mein kleiner Chemie-Kasten
Am Samstag Abend bei einem Glas Bier erzählte mir ein...
ammedisli - 4. Dez, 13:46
Es weihnachtet sehr
Nun steht die Frage wieder im Raum; dick und fett,...
ammedisli - 4. Dez, 13:31

Status

Online seit 7064 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 29. Jan, 08:55

Australisches
Besuchtes
Cineastisches
Erlebtes
Gedankliches
Kreatives
Lesenswert
Mexikanisches
Musikalisches
Poetisches
pre-Australisches
Schmunzelndes
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren